Alte Mühle
Sie straffte ihr strahlendweißes Kleid ein wenig, zog es gerade und strich zum Schluss ncoh glättend über es. Die Blutflecken, die es hier und da zierten, beachtete sie schon lang nicht mehr, und auch die Rosendornen, die an manchen Stellen durch den dünnen Stoff und dann in ihre Haut drangen, störten sie nicht mehr, sie freute sich nur darüber, dass sie dem Kleid noch ein wenig mehr Halt gaben. Waren die Dornen erst einmal an ihrem Körper festgewachsen – oh, daran wollte sie gar nicht denken, und die aufsteigende Freude, die der Gedanke erzeugt hätte, unterdrückte sie gleich wieder.
Trotz dieser Gefühle war ihr Blick leer und starrend. Manche hätten das Mädchen als verrückt bezeichnet. Verrückt. Nach dem sie viele so bezeichnet hatten, hatte sie sich genauere Gedanken darüber gemacht. Ver-rückt. Man ist von sich ver-rückt worden. Man steht neben sich, ist nicht mehr bei sich? War sie verrückt, weil sie die Rosen liebte, die ihr Meister in ihren Körper stach, nein, bei Zeiten nicht. Sie stand dabei niemals neben sich, dazu liebte sie diesen Vorgang und die Dornen und die Blüten, und das Leben und das Rot und und und viel zu sehr. Es machte einen Teil ihres Lebens aus. War sie also verrückt? Bei Zeiten nicht, und sie wiederholte sich und sagte Amen.
Das Mädchen, von dem berichtet wird, trat nun vor die Tür. Der Raum, in dem sie sich noch befand, war düster, Licht hätte durch die Schlitze hineindringen können, die die vor die Fenster genagelten Bretter nicht schließen wollten – wäre es nicht Nacht gwesen.
Sie hatte lange hier ausgeharrt? Wie viele Jahre waren es?
Jetzt bewegte sie sich also auf die Tür zu, die ersten Schritte seit Jahren. War sie tot? Nein, ihr Körper bewegte sich, und sie spürte auch den Schmerz, den ein Nagel erzeugte, der sich soeben durch ihren Fuß gebohrt hatte.
Durch den Fuß, den sie genau neben den anderen gestellt hatte, und so stand sie jetzt vor der Tür.
Um den Nagel kümmerte sie sich nicht weiter, stattdessen legte sie eine Hand auf die Tür, öffnete sie und verließ die Mühle mit zaghaften Schritten, es wirkte, als würde sie schweben.
Mondlicht schien auf sie, und ihre leeren Augen spiegelten es nicht wieder, wie sie es bei jedem anderen Wesen getan hätten.
Jede zweite Fußspur, die sie hinterließ, war von etwas rötlich schwarzem Blut beträufelt, das sie langsam verlor.
~> Am See